Community of Practice – Kraft des gemeinsamen Lernens und Wachsens

Community of Practice (Abkürzung CoP) ist eine praxisbezogene Gemeinschaft von Personen, die ähnlichen Aufgaben gegenüberstehen und voneinander lernen. Dabei handelt es sich bei dem Begriff nicht um eine klassische Arbeitsgemeinschaft. Im Interesse an Lösungen agiert ein CoP weitgehend selbstorganisiert. Ich schreibe diesen Beitrag bezugnehmend auf Communities, sowohl im Arbeits- als auch Freizeitumfeld.

Kurze Zeitreise und die Entstehung von Community of Practice

Die Entstehung des Begriffs Community of Practice geht zurück auf das Jahr 1991. Geprägt durch die beiden Sozialwissenschaftler Jean Lave und Étienne Wenger. Sie stellten das Lernen in den Kontext sozialer Beziehungen. Dabei zeigten sie, dass für den Wissenserwerb – neben Strukturen oder Modellen – insbesondere die Teilnahme an einer Gemeinschaft entscheidend ist, in der man das Wissen konstruiert.

1998 erweiterte Etienne Wenger das Konzept für die Organisationsentwicklung und bestimmte damit einen neuen Entwicklungsschwerpunkt. Wenger hat mehr oder weniger die theoretische Grundlegung des Konzeptes beschrieben und generelle Verständnisgrundlagen des Konzeptes dargelegt. Aber auch außerhalb von Organisationen finden sich Communities of Practice. Besonders trifft man auf CoP’s bei internetgestützten Arbeitsgemeinschaften. Die Community of Practice wird heute in enger Verbindung zu Online-Communities und zum Wissensmanagement gesehen und stellt eine wichtige Möglichkeit zur Bildung sozialen Kapitals dar. Der Begriff des Wissensmanagements ist dabei von den beiden Herrschaften kritisch gesehen. Laut Lave, Wenger und anderen Sozialwissenschaftlern ist das Management von Wissen grundsätzlich nicht möglich. Wissen ließe sich ebenso wie die Bildung von Communities of Practice nicht „allein“ durch eine top-down Anordnung oder durch systematische Einrichtungsprozesse implementieren. Sozialwissenschaftler scheinen die Begriffe des „Gardening“ und „Nurturing“ zu bevorzugen.

Struktur

Eine Community of Practice besitzt in der Regel eine Struktur, in der Personen nicht via Festlegung eine bestimmte Rolle erhalten, sondern aufgrund ihrer Tätigkeit und der Akzeptanz bzw. Ablehnung durch andere Mitglieder eine Rolle erwerben. Mit „Festlegung“ ist in diesem Fall die Vorgabe durch Führungskräfte, Organisationsdiagramme oder andere „formale Vorgaben“ gemeint.

Den Begriff der Rolle, der besonders im deutschsprachigen Raum eine längere Tradition hat, verwenden die Sozialwissenschaftler dabei ungern. Sie sprechen von „Identität“, die sich ausbildet, und von Aufgabenverteilungen, die man untereinander aushandelt. So entwickeln sich auf Basis der Kommunikationsprozesse aktive und weniger aktive Mitglieder, Moderatoren und Experten. Diese Moderatoren darf man sich nicht als starr vergebene Positionen innerhalb des Geflechts der Community of Practice vorstellen. Es handelt sich hierbei auch um situativ ausgehandelte Funktionen und Aufgaben innerhalb der Community. Ebenso können sich Untergruppen bilden oder man bindet externe Personen als Gäste ein.

Aus eigener Erfahrung, beispielsweise im Open Source Space, kann ich sagen, dass zwar in der Öffentlichkeitsarbeit ein gewisses Bild einer Hierarchie erkennbar ist, doch innerhalb einer Arbeitsgruppe Rollen weitestgehend irrelevant sind. Dies liegt zum einen daran, dass man es meist mit sehr facettenreichen und gebildeten Personen zu tun hat und zum anderen daran, dass in diesem Umfeld das Lernen und die Wissensvermittlung im Vordergrund stehen.

Phasen

Fünf Phasen charakterisieren die Entwicklung einer Community of Practice.

  1. Die erste Phase (Potential/Potenzial) ist durch eine oder mehrere Personen gekennzeichnet, die sich einer bestimmten Thematik annehmen.
  2. Die zweite Phase (Coalescing/Vereinigung) ist geprägt durch die Bildung einer Grundstruktur, in der man Ziele, Aufgaben und Kommunikationswege skiziiert.
  3. In der dritten Phase (Maturing/Reifung) beginnt die eigentliche Arbeit der Gemeinschaft. Der Wissensaufbau und Austausch. Mit zunehmender Aktivität steigt in der Regel auch die Zahl der Mitglieder. Fortlaufend werden Ziele, Aufgaben und Kommunikationswege bewertet und an die Bedürfnisse der Mitglieder durch die Mitglieder selbst angepasst.
  4. Als vierte Phase (Stewardship/Verantwortung) wenn für die Mehrzahl der Mitglieder ein akzeptabler Stand erreicht ist und kein Bedarf für weitere Aktivitäten erkennbar sind. In diesem Fall sinkt die Anzahl der eingepflegten Informationen im Vergleich zu jener der entnommenen Informationen.
  5. In der fünften und letzten Phase (Transformation/Umwandlung) verliert die Gemeinschaft zunehmend an Gewicht als zentraler Informationsknotenpunkt, weil man auf andere Quellen ausweicht oder die Thematik selbst an Bedeutung verliert.

Diese Phasen können, aber müssen nicht auf diese Art und Weise auftreten bzw. durchlaufen. Diesen Phasenablauf haben Wenger, Snyder und McDermott aus verschiedenen Fällen generalisiert, um so ein „Gerüst“ für den jeweiligen Unterstützungsbedarf für das Florieren der Community zugrunde zu legen.

Die Pflege von Community of Practice

Design for evolution

Stetige Veränderung ist notwendig: Anpassung an neue Mitglieder, Einführung neuer Mitglieder, Veränderung von Ressourcenlagen, Veränderung von Diskurstraditionen, Veränderung von Problemlagen von Mitgliedern, Veränderungen in der Struktur der CoP.

Open a dialogue between inside and outside perspectives

Der Austausch mit der Umgebung und die aktive Aushandlung von Bedeutung in der „Arena“ der CoP bilden den Hauptantriebsgrund, warum Menschen sich zu CoPs zusammenschließen.

Invite different levels of participation

Von Kernaktivisten allein wird keine CoP getragen. Man muss sich auch um den Nachwuchs für Positionen innerhalb der CoP kümmern. Der Einbezug von anderen „Zonen“ in der CoP trägt auch zur Pluralität der Blickwinkel auf ein spezifisches Problem bei.

Develop both public and private community spaces

Auch wenn die CoP oftmals selbst im „Organizational Underlife“ angesiedelt ist, so gibt es auch hier Bereiche, in denen sich Untergruppen treffen, in denen man Themen abseits der eigentlichen Agenda diskutiert, in denen man auch persönliche Problemlagen und Differenzen ansprechen kann, ohne vor das „Plenum“ der CoP zu treten. Spannungen bleiben unter Umständen bestehen, wenn man solche Probleme nicht abseits der „offiziellen Bühne“ diskutiert bzw. diskutieren kann. Oftmals bilden solche Nebenschauplätze auch die Geburtsstätte für nachfolgende Themen einer CoP, die diese dann aufrechterhält, wenn auch in vielleicht geänderter Konstellation.

Focus on value

Die Sicherstellung von Qualität ist auch für CoPs wichtig. Das betrifft sowohl die Pflege der CoPs auf einem Meta-Niveau als auch die Beiträge zum „Situated Negotiation of Meaning“.

Combine familiarity and excitement

Auch CoPs leben von tragenden Strukturen aus mehr routinisierten Praktiken und frischem Wind.

Create a rhythm for the community

Auch der Puls verschiedener Aktivitäten trägt zum Fortbestand und zu einem guten Arbeitsklima innerhalb der CoP bei.

Vorteile für das Individuum durch Community of Practice

Bei Community of Practice-Meetings geht es primär darum, Informationen und Fragen zu bestimmten Problemen aus dem professionellen Alltag zu besprechen und gemeinsam Lösungen zu finden. Die gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern stehen damit im Vordergrund. Der große Vorteil liegt darin, dass Personen miteinander interagieren, die sonst im Alltag meist nicht miteinander arbeiten. Bei CoP-Meetings hat man die Möglichkeit individuelle Erfahrungen miteinander zu teilen, um daraus wiederum neue Möglichkeiten zu kreieren und bestimmte Herausforderungen zu meistern. Einzig durch die Interaktion von unterschiedlichen Netzwerken können neue Ideen entstehen, wobei jede Partei ihre eigenen Sichtweisen teilt, die Einfluss auf die Entscheidungen der anderen hat und dadurch ein Lerneffekt entsteht. Arbeiten und Lernen gehören im professionellen Kontext stets zusammen. Eine Community of Practice fördert diese Zusammenkunft von Arbeit und Lernen.

Vorteile für die Community

Communities profitieren von Community of Practice dahin gehend, dass das Team sich selbstständig und selbstorganisiert weiterentwickelt, ohne, dass Führungspersonen oder Verantwortliche kostspielige Ausgaben für Fortbildungen oder Ähnliches ausgeben müssen. 

Voraussetzungen hierfür sind natürlich, die verfügbare Zeit und die Ressourcen für die eingesetzte Hard- und Software bzw. je nachdem, in welchem Umfeld und mit welcher Zielsetzung man unterwegs ist. Die in den Meetings neu erlangten Kenntnisse wirken sich direkt auf die Leistungen im täglichen Leben aus.

Fazit

In meiner Wahrnehmung bzw. in meinem Verständnis, gehe ich davon aus, dass bei der Themenverarbeitung durch einige Sozialwissenschaftler im „Community of Practice“ von einer physischen Präsenz der Teilnehmenden die Rede ist. Zumal die Literatur, die ich gelesen habe, noch aus den frühen 90’ern ist. Jedoch habe ich diese Art von CoP’s primär online kennenlernen dürfen. Dementsprechend habe ich an Meetings virtuell bzw. remote teilgenommen, was seit den Anfängen der Coronapandemie immer häufiger stattgefunden hat und auch im konventionellen Geschäftsleben mehr und mehr ankommt. Besonders im Blockchain Space hat sich diese Methode sehr stark etabliert. Folglich konnte ich die genannten 5 Phasen mehrfach, sowohl mit einem positiven als auch mit einem negativen Verlauf wiedererkennen. Alles in allem sehe ich es von Vorteil, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. So erhält man eine etwas differenzierte Sicht auf die Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb von Communities und kann bewusst mit diversen Herausforderungen umgehen.

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